Niedersachsen klar Logo

Übermittlung von Sozialdaten vom Jugendamt an die Ausländerbehörde – Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 28.11.2023 – 11 LC 273/21

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat sich in seinem Urteil mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Erteilung von Auskünften durch Jugendämter gegenüber Ausländerbehörden, die den Umfang und die Qualität der Bindung zwischen Elternteilen und deren Kindern zum Gegenstand haben, zulässig ist.

Im vorliegenden Fall hatte das Jugendamt Sozialdaten bzgl. des Verhältnisses zwischen einem Vater und seiner Tochter auf Ersuchen der Ausländerbehörde an diese weitergegeben. Die Auskunft des Jugendamtes über das Vater-Kind-Verhältnis sollte der Ausländerbehörde als Grundlage für Entscheidungen über den weiteren Aufenthalt oder die Beendigung des Aufenthalts des Vaters in der Bundesrepublik dienen. Der betroffene Vater sah sich in seinen Rechten verletzt und ließ die Rechtmäßigkeit der Datenweitergabe mittels Feststellungsklage gerichtlich überprüfen. Das Verwaltungsgericht hatte die Feststellungklage in erster Instanz abgewiesen. Dieser Entscheidung folgte auch das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz und erklärte, dass die Übermittlung der das Vater-Kind-Verhältnis betreffenden Daten durch das Jugendamt an die Ausländerbehörde rechtmäßig war und der Vater nicht in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs.1 GG i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG und Art. 8 Abs.1 EUGrdRCh verletzt ist.

Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Übermittlung von das Vater-Kind-Verhältnis betreffenden Daten vom Jugendamt an die Ausländerbehörde nicht gegen § 65 Abs. 1 SGB VIII verstößt, wenn die Daten dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin des öffentlichen oder freien Trägers der Jugendhilfe nicht zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind. „Anvertraut“ i.S.d. § 65 Abs.1 SGB VIII sind nur solche Daten, die dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin eines Trägers der Jugendhilfe zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe in einem bewussten „Akt des Anvertrauens“ mitgeteilt worden sind oder die dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin in einem sensiblen Lebensbereich in Erwartung einer Vertraulichkeit bekannt werden.

Überdies hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Datenübermittlung auch bei einem erwachsenen Ausländer auf § 71 Abs.2 S.1 Nr.1 d) SGB X gestützt werden kann, da der Anwendungsbereich der Norm nach ihrem Wortlaut nicht auf Jugendliche und Heranwachsende beschränkt ist. § 71 Abs.2 S.1 Nr.1 d) SGB X normiert sozialdatenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnisse des Jugendamtes gegenüber Ausländerbehörden. Sie eröffnet dem Jugendamt die Möglichkeit, aufgrund seiner Erkenntnisse eine sog. Sozialprognose gegenüber der Ausländerbehörde abzugeben.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg kann unter https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/37a9de64-1789-4b32-ba5a-170827895682 nachgelesen werden.


Zurück zum Newsletter

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln