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Gelingende Integration?

Wie fast alle geflüchteten Menschen hat auch Hassan eine bewegende Lebensgeschichte. Vor knapp 3 Jahren kam er in unsere Jugendhilfeeinrichtung. Er ist Afghane, musste mit seiner Familie in den Iran flüchten, von dort wieder zurück nach Afghanistan. Viele Umstände zwangen ihn dazu, im Alter von 13 Jahren ohne Familie wieder in den Iran zu flüchten, dort lebte er 2 Jahre allein, und illegal. Mit der großen Fluchtbewegung kam er dann Ende 2015 in Deutschland an. Dies ist nur ein kleiner, belangloser Auszug aus seiner Lebensgeschichte. Trotz der fremden Sprache, der fremden Kultur, den fremden Menschen und den traumatischen Erfahrungen wollte er seinen großen Traum – Modedesign zu studieren, verwirklichen.

Nach vielen Hürden konnten wir ihn bei einer Berufsfachschule für Textiltechnik und Bekleidung anmelden. Dort wurde er herzlich aufgenommen. Da die Sprachkenntnisse noch nicht ausreichten, wiederholte er die Klasse. Jetzt sieht es sehr gut aus, viele Arbeiten konnte er mit der Note 2 oder 3 bestehen. Die erste 1 ist auch dabei.

Im letzten Jahr gab es eine Ausschreibung für den Niedersächsischen Jugendkulturpreis, eine Initiative der Stiftung Niedersachsen und der LKJ Niedersachsen. Ich motivierte ihn, daran teilzunehmen. Er wurde von einer Jury als einer von 10 Teilnehmern für den Jugendkulturpreis 2018 ausgewählt und durfte sein Projekt zum Thema „Zeit für Ideen“ entwickeln und im Sommer 2018 vor einem großen Publikum in Meppen präsentieren. Für die Entwicklung und Umsetzung seiner Präsentation bekamt er ein Preisgeld und den Rat bzw. die Unterstützung von unterschiedlichen Fachleuten.

Nachfolgend möchte ich sein Projekt vorstellen, an dem er viele Wochen gearbeitet hat. Seine Ideen konnten wir mit Hilfe eines Dolmetschers erarbeiten. Nachfolgend ein Auszug aus seiner Bewerbung für die Teilnahme am Jugendkulturpreis:


Ein Kleid für den Frieden

Nur 5 Minuten… und dein Leben beginnt. Du wirst geboren und 5 Minuten entscheiden über dein Land in dem du lebst, deine Nationalität, deinen Namen, deine Religion und deine Kultur. Und für manche Menschen ist es ein täglicher Kampf um zu überleben. Täglich und überall hören wir von Krieg, Flucht, Folter, Hunger, Armut und Terror auf der Welt. Warum ist das so und warum sind wir nicht in der Lage, diese weltweiten Probleme gemeinsam zu lösen? Unterschiedliche Religionen und Kulturen bringen Missverständnisse mit sich. Radikale Menschen und Terroristen wollen diese Missverständnisse, um ihre kranken Ideen zu verbreiten.

Die Flüchtlingswelle Ende 2015 machte den Menschen in Europa Angst. Grenzen wurden geschlossen, um sich zu schützen. Deutschland, ganz besonders unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, sah in die Herzen der vielen geflüchteten Menschen und sah deren Ängste und Sorgen. Der wichtige Satz „wir schaffen das“ hat vielen Menschen in Deutschland Mut gemacht, gemeinsam zu helfen. Sie hat aber auch den geflüchteten Menschen Mut gemacht, in einem sicheren demokratischen Land angekommen zu sein.

Auch ich bin als Flüchtling Ende 2015 ohne Familie die fast 7.000 km irgendwie nach Deutschland gekommen. Ich war fast 15 Jahre alt.

Nur 5 Minuten…und auch mein Leben wurde festgelegt. Nun bin ich in Europa, in Deutschland und habe eine Chance mein Leben selber zu gestalten. Ich habe ein Ziel und versuche, mit viel Fleiß dieses Ziel zu erreichen. Ich habe mein Handwerk schon früh gelernt. Ich arbeitete 2 Jahre lang bei einem Schneider im Iran. Ich habe viele Ideen und möchte Modedesign studieren.“


Das war Hassans Idee für die Präsentation in Meppen. Er hatte einige Monate Zeit, das Kleid zu nähen und eine Präsentation vorzubereiten. Er hat ein weißes Abendkleid genäht, auf denen verschieden Symbole zum Thema Frieden wiederzufinden waren. Eine Friedenstaube, die Freiheitsstatue usw. Als die Zuschauer in den Raum kamen, war es dunkel. Ein Video begann mit Bildern zum Thema Krieg, Kinderarbeit, Luxusgüter, Armut-Reichtum. Die Bilder waren sehr bewegend. Dann kam eine kleine Choreographie, Menschen in landestypischer Kleidung spielten ein paar kurze Szenen (eine Frau mit Burka die um Hilfe bat – ein Taliban Kämpfer der die Frau mitnahm / ein Kind das arbeiten musste) Zum Ende der Aufführung kam eine junge Frau mit dem weißen „Friedenskleid“ und präsentierte dieses. Es war ein gelungenes Wochenende mit schönen Rückmeldungen an Hassan.

Ist dies der Beginn einer gelingenden Integration? Integration ist ein langsamer und langfristiger Prozeß, bei denen die jungen Menschen Unterstützung und Hilfe brauchen. Und Vertrauen – vertrauensvolle Beziehung mit Menschen – in ihre eigenen Fähigkeiten. In ein paar Monaten wird Hassan 18 Jahre alt. Wie geht es dann für ihn weiter?

Wenn man sich als Teil der Gesellschaft sieht, ist eine Integration gelungen. Dies braucht aber viel Zeit, vertraute Menschen die unterstützen, kleine Erfolgserlebnisse und Anerkennung „du bist gut so wie du bist“. Und dies gilt sicherlich nicht nur für die Geflüchteten, die wir in der Jugendhilfe betreuen.


Ilona Kunze Dipl. Sozialpädagogin

Güldene Sonne

Pädagogisch-therapeutische Einrichtung

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