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Genehmigungen für Time-Out Räume

Time-Out Räume sind reizarme Räume, in denen ein Jugendlicher mit akuter Tendenz zur Selbst- oder Fremdgefährdung aufgrund der damit einhergehenden Distanz zur Außenwelt zur Ruhe finden soll. Sofern ein solcher Raum in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe als beständig offener Rückzugsort auf freiwilliger Basis vorgehalten wird, ist die Nutzung eines solchen Raumes unproblematisch.

Sofern Time-Out Räume jedoch während ihrer Nutzung von außen verschlossen werden, handelt es sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme im Sinne des neuen § 1631b Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber hat in seiner entsprechenden Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/11278 S. 14) explizit auf derartige Time-Out Räume Bezug genommen und somit bereits im Vorfeld etwaige Zuordnungszweifel ausgeräumt. Durch die Einführung des § 1631b Abs. 2 BGB im November 2017 wurde folglich auch der Einsatz von Time-Out Räumen der neuen richterlichen Genehmigungspflicht unterstellt (für Näheres zur Einführung des § 1631b Abs. 2 BGB s. JiN 4/2017).

Vor der Einführung des neuen Gesetzes lag die Entscheidung zur Durchführung einer Time-Out Maßnahme bezogen auf das einzelne Kind bei den jeweiligen Personensorgeberechtigten. Die Einwilligung der Personensorgeberechtigten ist auch durch die Einführung des neuen Gesetzes nicht obsolet geworden. Sie ist weiterhin Grundlage jeder entsprechenden Maßnahme. Allerdings wurde nun gesetzlich festgelegt, dass diese Entscheidung zusätzlich richterlich bestätigt werden muss. Das Gericht überprüft dabei vornehmlich, ob der geplante Eingriff in die Grundrechte in einem angemessenen Verhältnis zu den daraus zu erwartenden Vorteilen steht und ob die Maßnahme zugunsten des individuellen Kindeswohls angewandt wird. Es legt bei seiner Überprüfung regelmäßig ärztliche Einschätzungen zugrunde und betrachtet die Gesamtsituation des jeweiligen Kindes. Eine Genehmigung zu freiheitsentziehenden Maßnahmen könnte theoretisch bei einem Einrichtungswechsel auch dem Kind „folgen“, wenn diese nicht an spezifische Umstände in einer bestimmten Einrichtung geknüpft wurde.

Aber auch das Landesjugendamt war und ist in seiner Rolle als Heimaufsicht in Hinblick auf derartige Räume nicht unbeteiligt. Bereits vor der Einführung des Gesetzes oblag dem Landesjugendamt die vollständige Überprüfung, ob durch einen Time-Out Raum in einer Einrichtung das Kindeswohl generell noch als gesichert anzusehen ist. Der Heimaufsicht oblag und obliegt weiterhin dabei vor allem die Überprüfung der Einhaltung der notwendigen Rahmenbedingungen zugunsten aller in der jeweiligen Einrichtung befindlichen Kinder. Insbesondere zählt dazu die Überprüfung des Nutzungskonzeptes, der notwendigen räumlichen oder personellen Ausstattung und das Vorhandenseins eines Krisenplans.

Vor der Einführung der richterlichen Genehmigungspflicht nach § 1631b Abs. 2 BGB musste die Heimaufsicht im Rahmen ihres entsprechenden Schutzauftrages eine generelle Einschätzung zur etwaigen Gefährdung des allgemeinen Kindeswohls durch die Nutzung eines Time-Out-Raumes vornehmen. Eine derartige Abwägung musste auch die grundsätzliche Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten wie der persönlichen Freiheit und der Menschenwürde der Kinder einbeziehen. Die neue Gesetzeslege hat jedoch nun zur Folge, dass sich einzelne Aspekte in dem vorzunehmenden Abwägungsprozess etwas verändert haben. Dies betrifft vor allem die Frage, ob derartige Maßnahmen überhaupt und mit welcher maximalen Dauer dem Kindeswohl dienlich sind, bzw. dem Kindeswohl zumindest nicht widersprechen. Derartige Überlegungen werden nun einzelfallbezogen durch das zuständige Gericht im Rahmen der richterlichen Prüfung angestellt.

Der Tätigkeitsbereich der Heimaufsicht ist jedoch durch diese leichten Veränderungen nicht aufgehoben worden. Immerhin war es lediglich die Intention des Gesetzgebers die individuelle Entscheidung der Eltern richterlich überprüfen zu lassen. Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung des Gesetzes die Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Kindeswohls ausweiten und nicht reduzieren. Eine wesentliche Veränderung des Aufgabenfeldes der Heimaufsicht sollte dadurch nicht vorgenommen werden.

Die äußeren Umstände eines Time-Out Raumes unterliegen mithin weiterhin der Überprüfung durch die Heimaufsicht. Die neue richterliche Genehmigung ersetzt folglich nicht die notwendige Genehmigung eines derartigen Raumes im Rahmen der Betriebserlaubniserteilung. Vielmehr ergänzen sich die beiden Genehmigungen. Insofern steht der Heimaufsicht auch weiterhin die Möglichkeit zu, Time-Out Räume vor Ort zu besichtigen, entsprechende Konzepte zu überprüfen oder ggfs. auch eine maximale Nutzungsdauer für einen bestimmten Raum festzulegen.

Für weitere Informationen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen wird auf die entsprechende Orientierungshilfe vom 01.02.2018 hingewiesen, die auch auf unserer Homepage unter www.jugendhilfe.niedersachsen.de zu finden ist.



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