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Aus dem Archiv – Aufstellung von Automaten für empfängnisverhütende Mittel – ein Schriftwechsel aus dem Jahr 1953

Wie sich gesellschaftliche Wahrnehmung, Wertigkeiten und Sichtweisen auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen wandeln, zeigt ein hier vorliegender Schriftwechsel zwischen einen niedersächsischen Jugendamt und dem damaligen Landesjugendamt Hannover mit Sitz in der Hedwigstraße 11.

In dem Schreiben des Jugendamtes vom 11. Juni 1953 wird ausgeführt, dass der dortigen Verwaltung ein Antrag auf Aufstellung eines Automaten für den Verkauf von Präservativen vorliegt. Das Gewerbeamt sieht keine Möglichkeit, die Aufstellung des Automaten zu verhindern, in Großstädten seien solche Automaten „bekanntlich in größerer Anzahl aufgestellt.“ Allerdings sieht das Jugendamt bei den örtlichen kleinstädtischen Verhältnissen die Gefahr, „dass durch die Aufstellung solcher Automaten und den damit verbundenen unkontrollierten Verkauf, insbesondere an Jugendliche, ein sittlich schädlicher Einfluss auf Jugendliche geübt werden kann“, allerdings ohne dies näher auszuführen. Offenbar war das seinerzeit gesellschaftlicher Konsens, so dass eine nähere Begründung nicht erforderlich war.

Im Weiteren bezieht sich dann das Jugendamt auf eine reichsgesetzliche Vorschrift aus dem Jahr 1903 (!), wonach Arbeiter und Arbeiterinnen unter 18 Jahren kein Zutritt zu Räumen gestattet werden durfte, in denen Präservative, Pessare und andere „zu ähnlichen Zwecken dienende Gegenstände angefertigt und verpackt werden“. In einem beigefügten maschinenschriftlichen Kommentierungsauszug wird von „Gegenständen, die zu einem unzüchtigen Gebrauch bestimmt sind“ gesprochen! Das Jugendamt kommt zu dem Analogschluss, dass diese Vorschrift durch einen freien Zugang zu einem entsprechenden Automaten „ihren Zweck vollständig verfehlen“ würde.

Das Landesjugendamt vermeidet in seiner am 26. Juni 1953 verfassten Antwort allerdings eine klare Festlegung. Es weist nur darauf hin, dass eine Aufstellung derartiger Automaten nicht verboten werden kann, wenn entsprechende Artikel auch im freien Handel, z.B. Drogerien käuflich erworben werden können. Lediglich die Bundesbahn habe die Genehmigung, derartige Automaten auf Herrentoiletten aufzustellen.

Auch bei der Abwägung, ob derartige Präservative eher der Verhütung von Krankheiten dienen oder eine sittliche Gefährdung darstellen, weist das Landesjugendamt lediglich darauf hin, dass dies „verschieden beantwortet“ wird. Schließlich stellt es noch fest, dass die zitierte Bestimmung aus dem Jahr 1903, auf die sich das anfragende Jugendamt bezieht, noch in Kraft sei, aber „sehr wahrscheinlich durch Änderung der Vorschriften auf Bundesebene aufgelockert werden soll.“

Bemerkenswert ist in beiden Schreiben die Furcht einer Festlegung. Zwar signalisiert das fragende Jugendamt im Tenor seines Schreiben schon sehr deutlich, dass es die Aufstellung von Präservativautomaten eher als sittengefährdend für Jugendliche ansieht, vermeidet aber dennoch eine eindeutige Positionierung. Allerdings ist schon erkennbar, welche Antwort vom Landesjugendamt gerne gesehen würde. Die Antwort des Landesjugendamtes wird das anfragende Jugendamt aber überhaupt nicht zufriedengestellt haben, denn außer einer Beschreibung der Sachlage legt sich dieses nicht fest.

Ob das schon damals der Vorstellung entsprach, dass sich das Land nicht in kommunale Angelegenheiten einzumischen hat oder das Schreiben in eine Zeit fiel, in der auch in der öffentlichen Sexualmoral gesellschaftliche Änderungen zunehmend Raum griffen (so lässt sich möglicherweise der Antrag nach Automatenaufstellung einschätzen), ist aus diesem kleinen Briefwechsel nicht zu ersehen. Es zeigt aber schon auf, wie sich die Vorstellungen des Schutzauftrages des Jugendamtes verändert hat.


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