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Sozialdatenschutz und Strafverfahren

Öffentliche Träger der Jugendhilfe sehen sich mitunter im Rahmen von Strafermittlungsverfahren mit dem Verlangen von Staatsanwaltschaften zur Herausgabe von Verwaltungsvorgängen konfrontiert. In einem von der 6. Strafkammer des Landgerichts (LG) Oldenburg entschiedenen Fall (Beschluss vom 25. Juli 2017 – 6 Qs 35/17 –) hatte sich das Jugendamt gegen ein solches Ansinnen unter Hinweis auf das Sozialgeheimnis zur Wehr gesetzt, woraufhin die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss erwirkt hatte. Das LG Oldenburg hat der hiergegen gerichteten Beschwerde mit dem genannten Beschluss stattgegeben.

Das Gericht stellt klar, dass es einen Vorrang des Strafverfolgungsinteresses gegenüber dem Vertraulichkeitsschutz in der öffentlichen Jugendhilfe nicht gebe. Die Beschlagnahme von Sozialdaten führe zu einer Umgehung des Sozialgeheimnisses.

Ausgangspunkt der Argumentation sind die §§ 94 und 103 StPO als Rechtsgrundlagen der Beschlagnahme bzw. Durchsuchung u.a. zum Zwecke der Beschlagnahme. Gemäß §§ 160 Abs. 4, 161 StPO stehen diese Eingriffsrechte der Staatsanwaltschaften unter dem Vorbehalt datenschutzrechtlicher Sonderbestimmungen. Hierzu zählt u.a. das Sozialgeheimnis aus § 35 SGB I. Zur Erlangung von Sozialdaten gehen die sozialrechtlichen Regelungen zur Datenübermittlung gemäß § 35 Abs. 2 SGB I in Verbindung mit §§ 68 ff. SGB X den strafprozessualen Eingriffsrechten vor.

Für das Strafverfahren ist daher § 73 SGB X zu beachten. Dies macht wegen der unterschiedlichen Reichweite der Übermittlungsbefugnisse (s. dort Abs. 1 und Abs. 2) zunächst eine Vergewisserung über das in Rede stehende Delikt erforderlich. Abs. 1 der Norm greift nur bei Verbrechen und sonstigen Straftaten von erheblicher Bedeutung, worunter beispielsweise die (einfache) Körperverletzung nicht fällt (im konkreten Fall bestand ein Verdacht auf eine – in den Beschlussgründen nicht näher bezeichnete – Kindesmisshandlung); § 73 Abs. 2 SGB X war mit Blick auf die abgefragten Daten nicht einschlägig.

Ungeachtet dieser Differenzierung sah das LG Oldenburg insbesondere den Richtervorbehalt des § 73 Abs. 3 SGB X als nicht gewahrt an. Der angegriffene richterliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss könne wegen des so genannten Bestimmtheitsprinzips nicht als hilfsweise richterliche Anordnung zur Datenübermittlung nach § 73 SGB X verstanden werden. Hierzu hätte es einer ausdrücklichen entsprechenden Bezeichnung unter Nennung der Rechtsgrundlage bedurft.

Schließlich ergebe sich keine Offenbarungspflicht aus § 35 Abs. 2 SGB I in Verbindung mit § 69 SGB X. Inwieweit das Jugendamt in Erfüllung eigener Aufgaben an einem Strafverfahren mitwirkt und Daten übermittelt, entscheidet es – vorbehaltlich der Ausnahme des § 73 SGB X – nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung des Kindeswohls.

Die Entscheidung ist in der niedersächsischen Rechtsprechungsdatenbank derzeit nicht hinterlegt, kann aber in der ZKJ 2017, Seite 437 und 438 (redaktioneller Leitsatz und Gründe mit weiteren Nachweisen) und bei juris nachgelesen werden.



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