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Traumatisierte UMA – eine (neue) Herausforderung für die Jugendhilfe

Gewalt, Verlust von geliebten Menschen und sicheren Beziehungen, Zukunftsangst und immer wieder Gewalt – Erlebte, Gesehene, Befürchtete - führen fast zwangsläufig zu Traumata bei jungen Menschen. Das ist bei den unbegleiteten minderjährigen Kindern und Jugendhilfen, die von den Jugendämtern in Niedersachsen aufgenommen wurden, nicht anders. Rückmeldungen von angefragten Jugendamtsleitungen in Niedersachsen brachten dabei ein differenziertes und uneinheitliches Bild mit allerdings bemerkbaren, von allen geteilten Aussagen.

Viele Traumatisierungen machen sich erst nach und nach bemerkbar. Die zunehmende Beruhigung der Situation der jungen Menschen, Zukunfts- und beginnenden Lebensplanung sind dabei auch auslösende Momente, weil Verdrängtes so langsam „an die Oberfläche“ dringt. Wie schnell und wie stark sich diese Traumata auswirken, hängt natürlich auch von der Stabilität der jeweiligen Person ab und ist weder voraussagbar noch zu pauschalisieren.

Aber die Jugendamtsleitungen berichten von vielen erheblichen Verhaltensauffälligkeiten, die zunehmend sichtbar werden. Diese reichen von Rückzug, aggressivem, situationsunangemessenem Verhalten, Autoaggression bis hin zu Schlafstörungen und Schlaflosigkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass erst in Folge der zunehmenden Beruhigung der Zuwanderungssituation bei den UMA in den vergangenen Wochen und Monaten die Jugendamtsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter beginnen konnten, pädagogische und therapeutische Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln. In vielen Fällen sind aber auch die einbezogenen unterstützenden Einrichtungen z.B. der Kinder- und Jugendpsychiatrie in einer Lernphase und entwickeln erst mit zunehmendem Umgang mit dieser Zielgruppe die erforderlichen neuen therapeutischen Konzepte. Darüber hinaus - und das ist eines der zentralen Probleme -, fehlen schlicht ausreichend Betreuungs- und Therapieplätze, um zeitnah unterstützen zu können.

Als zudem immer wiederkehrendes Problem wird vor allem die bestehende Sprachbarriere beschrieben. Kombiniert mit kulturellen Verständnisbarrieren erschwert dies eine vertiefte therapeutische Aufarbeitung der vorhandenen Traumata, die dann erst die Basis sein kann für die Unterstützung bei der Verarbeitung derselben.

Die psychotherapeutische Bearbeitung und Behandlung solcher Traumata ist zentral sprachbasiert und erfordert kulturelle Affinität. Beides ist beim Einsatz von Sprachmittlern nur schwer möglich, weil neben sprachlichen Verständnisschwierigkeiten auch kulturelle Verständnisschwierigkeiten die Kommunikation fast unmöglich machen. Auch der Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen dem UMA und der therapeutischen Fachkraft ist durch eine dritte Person als Sprachmittler nur sehr schwer möglich. Gerade aber das Öffnen und die Bereitschaft, auch sehr sensible persönliche Erlebnisse und Erfahrungen zu berichten, sind Teil der erforderlichen Anamnese und Therapie.

Aber selbst dann, wenn der UMA inzwischen die deutsche Sprache in Grundzügen beherrscht, sind differenzierte Frage- und Antwortsysteme zur vertieften Erarbeitung der traumatisierenden Erlebnisse kaum möglich. Nur in den eher seltenen Fällen, in denen in den KJP Fachpersonen beschäftigt sind, die aus dem Sprach- und Kulturraum stammen, können Anamnese und Therapie besser gelingen.

Angesichts der Dimensionen der Herausforderung bei der Bewältigung der UMA-Zuwanderung ist es nachvollziehbar, dass nicht nur das Jugendhilfesystem überfordert war und erst langsam in der Lage ist, fachlich vertieft mit den jungen Menschen zu arbeiten, auch unterstützende Systeme z.B. der KJP müssen erst die erforderlichen Kapazitäten und fachlichen Ressourcen entwickeln.



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