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Jugendpflegerinnen und Jugendpfleger in der Provinz Hannover 1921

Das Amtsblatt des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt – mit dem heutigen Sozialministerium vergleichbar, verzeichnet im Jahr 1922 in der Nr. 2 (S. 83 ff.) ein umfangreiches Verzeichnis von Jugendpflegerinnen und Jugendpflegern in allen Provinzen des Reichslandes Preußen von Ostpreußen bis nach Westfalen. Jugendpfleger gab es zu diesem Zeitpunkt schon seit längerem, Erlasse zur Einführung von Personen in die Aufgaben der Jugendpflege gab es in Preußen seit dem Jahr 1913. In der Provinz Hannover, die mit Ausnahme von Oldenburg, Schaumburg und Braunschweig weitgehend dem heutigen Land Niedersachsen entspricht, waren immerhin 71 Personen offiziell als Bezirks- oder Kreisjugendpflegerinnen und –pfleger bestellt. Allerdings war die weit überwiegende Mehrzahl dieser Personen in dieser Rolle nur im Nebenamt tätig, nur bei dreien wird als Berufsbezeichnung „Jugendpfleger“ oder „Jugendpflegerin“ angegeben.

Die am meisten vertretene Berufsgruppe derjenigen, die mit der Aufgabe des Kreisjugendpflegers betraut waren, ist die der Lehrer. Allein 32 Personen haben diesen Beruf, hinzu kommen noch 9 Schulrektoren und ein Kreisschulrat (im Kreis Norden). Immerhin war damit eine Berufsgruppe mit pädagogischer Erfahrung mit der Aufgabe des Jugendpflegers betraut. Auch der Beruf des Pastors taucht häufiger auf, hinzu kommen einige weitere Personen aus dem kirchlichen Bereich. Im Landkreis Linden war es der Leiter des Jugendamtes. Aber auch aus heutiger Sicht fachfremde Berufe finden sich in dem Verzeichnis. So war im Kreis Hoya der Malermeister Fritz Meyer, im Kreis Stolzenau der Regierungslandmesser Gustav Maaß und im Kreis Diepholz der Sattlermeister Hermann Schöttler als Jugendpfleger bestellt. Aber auch ein Postmeister (Paul Kleemann im Kreis Burgdorf), der Kreisausschusssekretär Karl Dornbusch im Kreis Uelzen oder der Kaufmann Wilhelm Meinecke im Kreis Gifhorn waren mit der Aufgabe des Kreisjugendpflegers betraut.

Bei den Jugendpflegerinnen, deren es immerhin 13 gab (allerdings nicht eine im Regierungsbezirk Hannover und den relativ größten Anteil im Regierungsbezirk Hildesheim) überwiegen soziale Berufe wie Kindergärtnerinnen, Jugendfürsorgerinnen oder Gemeindehelferinnen. Es waren aber auch drei Lehrerinnen dabei. Insgesamt ist der größte Teil der als Jugendpflegerinnen tätigen Frauen berufstätig.

Im Regierungsbezirk Aurich allerdings verzeichnet das Blatt bei Marie Köppen aus den Kreisen Leer und Weener, dies sei die Ehefrau des Pastors Köppen, ebenso bei Lucie Börner, zuständig für die Kreise Wittmund, Norden und Aurich, bei der „Ehefrau des Pastors Börner“ verzeichnet war. Jenny Immer, die dritte Jugendpflegerin und zuständig für die Stadt und den Landkreis Emden führt die Bezeichnung „Haustochter“. Das war im 19. Jahrhundert und bis in das 20. Jahrhundert hinein eine junge Frau, die für eine bestimmte Zeit in einer fremden Familie lebte, um dort die Führung eines Haushalts zu erlernen. Die Haustochter war keine Hausangestellte, sondern sollte wie ein Familienmitglied behandelt werden.

In den Amtsblättern finden sich schon Anfang der 20er Jahre zahlreiche Erlasse für die Arbeit der Jugendpflegeinnen und Jugendpfleger, es war eine durchaus bekannte und übliche Einrichtung.

Auch legte man durchaus Wert auf die fachliche Aus- und Weiterbildung der neben- und ehremamtlich tätigen Personen. In einem Erlass vom 9. Juni 1920, „betr. Aus- und Fortbildung von Jugendpflegern“, Volkswohlfahrt 1920, S. 130) werden sehr umfangreiche Ausführungen zu diesem Thema gemacht.

Mithin kann die Jugendpflege, können die Jugendpflegerinnen und –pfleger in Niedersachsen auf eine lange Tradition zurückblicken. Allerdings ist es heute nicht mehr denkbar, dass diese pädagogische Aufgabe ehren- oder nebenamtlich und von Personen wahrgenommen wird, die nicht als Fachkräfte im Sinne des § 72 des SGB VIII betrachtet werden können.



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