Kostenheranziehung II – Hinweis auf unterhaltsrechtliche Folgen der Leistungsgewährung erforderlich
Auch wenn gesetzliche Vorgaben mitunter wie bloße Formalien erscheinen mögen, ist man schlecht beraten, sie (deshalb oder aus anderen Gründen) außer Acht zu lassen. Ein Beispiel hierzu aus dem Bereich der Kostenheranziehung liefert der Beschluss des VG Göttingen vom 11. Oktober 2018 – 2 B 389/18 – .
In dem entschiedenen Fall war der Adoptivvater einer in Obhut genommenen Jugendlichen zu einer beabsichtigten Kostenheranziehung angehört worden. Er hatte beim Jugendamt daraufhin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, auf den das Jugendamt mit einem Hinweis auf den noch fehlenden eigentlichen Heranziehungsbescheid reagierte, von einer Entscheidung über den Antrag aber absah. Gegen den sodann erlassenen Heranziehungsbescheid erhob der Adoptivvater Klage und ersuchte zudem um einstweiligen Rechtsschutz. Zu diesem Zeitpunkt war er vom Jugendamt im Rahmen verschiedener Schreiben darauf hingewiesen worden, dass Jugendhilfe nach dem SGB VIII in Form von Inobhutnahme gewährt werde, die Kosten hierfür seitens des Jugendamtes getragen und direkt mit der Jugendhilfeeinrichtung abgerechnet würden und dass er sich gemäß § 91 SGB VIII an diesen Kosten beteiligen müsse.
Mit dem genannten Beschluss gab das VG Göttingen dem Adoptivvater im einstweiligen Rechtsschutz Recht und ordnete die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage an.
Das Gericht stellte zunächst fest, dass der Adoptivvater nach Erlass des Heranziehungsbescheides sofort um richterlichen Eilrechtsschutz ersuchen konnte und es ihm nicht abzuverlangen gewesen sei, zuvor erneut einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Jugendamt zu stellen. Denn der bereits nach der Anhörung „auf Vorrat“ gestellte Aussetzungsantrag habe dem Jugendamt die verwaltungsinterne Kontrolle seines Handelns ermöglicht. Für die bis zur Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes unterbliebene Bescheidung des Aussetzungsantrags durch das Jugendamt gebe es keinen zureichenden Grund.
Inhaltlich beanstandete das Gericht das Vorgehen des Jugendamts, weil es den Adoptivvater nicht in einer den Anforderungen des § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII entsprechenden Weise aufgeklärt hatte. Die Vorschrift lautet: „Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern, Ehegatten und Lebenspartnern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde.“ Das Gericht vermisste eine Aufklärung über ebendiese Folgen der Jugendhilfegewährung für die Unterhaltspflicht des Adoptivvaters gegenüber seiner Tochter. Ist ein Elternteil gegenüber der oder dem Minderjährigen, die oder der Jugendhilfeleistungen erhält (hierzu gehört im Sinne des Kostenbeitragsrechts auch die Inobhutnahme), naturalunterhaltspflichtig, so muss die Aufklärung über die unterhaltsrechtlichen Folgen der Leistungsgewährung zumindest beinhalten, dass die Jugendhilfeleistung unterhaltsrechtlich entlastende Auswirkungen hat. Aus den von dem Jugendamt im konkreten Fall gegebenen Hinweisen habe sich diese Information für einen verständigen Empfänger nicht ergeben.
Das VG weist darauf hin, dass diese Aufklärung eine materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung für die Erhebung eines Kostenbeitrags ist und das Ziel verfolgt, derjenigen Person, die zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden könnte, vorab die Möglichkeit zu Vermögensdispositionen zu eröffnen. Insbesondere den hier durchaus erfolgten grundsätzlichen Hinweis auf die Beteiligungspflicht nach § 91 SGB VIII lässt das Gericht hierfür nicht genügen. Es stellt fest, dass die Heranziehung des Adoptivvaters bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Jugendamt seine Informationspflichten ihm gegenüber erfüllt, für den davor liegenden Zeitraum rechtswidrig ist. Auch der gerichtliche Beschluss selbst sei nicht die von § 92 Abs. 3 SGB VIII geforderte Aufklärung. Das Jugendamt war also gehalten, die Aufklärung nachzuliefern, um den Adoptivvater künftig zu den Kosten der Jugendhilfegewährung heranziehen zu können.
Den Beschlusstext finden Sie hier: