Stiefkindadoption bei nichtehelicher Elternbeziehung
Mit am 2. Mai 2019 veröffentlichtem Beschluss vom 26. März 2019 – 1 BvR 673/17 – hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass der vollständige Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien verfassungswidrig ist. Nach derzeit gültiger Rechtslage ist es zwar möglich, dass der Stiefelternteil auch in nichtehelichen Familien das Stiefkind im Wege der Adoption annimmt. Damit erlischt allerdings das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinem rechtlichen, mit dem Stiefelternteil nicht verheirateten Elternteil, was typischerweise nicht im Interesse der Beteiligten liegt. Dieser faktische Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien verstößt nach den Feststellungen des BVerfG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei zwar legitim, die Stiefkindadoption im Interesse des Kindeswohls nur in Stabilität versprechenden Lebensgemeinschaften zuzulassen. Die Ehelichkeit der Elternbeziehung sei für diese geforderte Stabilität ein zulässiger Indikator. Nichtehelichen Paarbeziehungen könne aber im Gegenzug ein Mangel an der erforderlichen Stabilität nicht pauschal unterstellt werden. Der mit einem faktisch wirkenden vollständigen Verbot der Stiefkindadoption bei nichtehelichen elterlichen Paarbeziehungen erzielte Schutz des Kindes könne die rechtlichen Nachteile nicht aufwiegen, die alle Stiefkinder in stabilen nichtehelichen Familiengemeinschaften hierdurch erleiden. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Adoption für die Persönlichkeitsentfaltung wesentliche Grundrechte des Kindes betrifft und der Eheverzicht der Eltern vom Kind nicht beeinflussbar ist und diesem auch nicht zugerechnet werden kann. Der Gesetzgeber ist zur Schaffung einer neuen gesetzlichen Regelung bis zum 31. März 2020 aufgefordert.
Seit dem 8. November 2019 liegt ein entsprechender Regierungsentwurf vor (BR-Drs. 577/19). Kernstück ist die vorgesehene Einfügung eines neuen § 1766a in das BGB, der im Wege der Verweisung zwei Personen, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben, Ehepaaren in Bezug auf die Stiefkindadoption gleichstellt. Was unter einer verfestigten Lebensgemeinschaft zu verstehen ist, soll in zwei so genannten Regelbeispielen (eheähnliches Zusammenleben seit mindestens vier Jahren oder mit einem gemeinschaftlichen Kind) geregelt werden. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft soll ausgeschlossen sein, wenn ein Partner mit einem Dritten verheiratet ist. Weitere vorgesehene Änderungen betreffen Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts sowie diverse Folgeregelungen im Rechtspflegergesetz, im FamFG und im Adoptionswirkungsgesetz.
Die Regelbeispiele zum Vorliegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft sind kein abschließender Katalog. So kann durchaus auch bei kürzeren Zeiträumen des Zusammenlebens (etwa bei bereits länger andauernder Paarbeziehung) die Möglichkeit einer Stiefkindadoption eröffnet sein, wenn eine stabile Beziehung zu erwarten ist. Letztlich ausschlaggebendes Kriterium ist hier stets der Schutz des Kindes vor einer nachteiligen Adoption. Dementsprechend sind auch Ausnahmen von den Regelbeispielen möglich, etwa wenn einer der Partner neben einer Beziehung mit einem bereits vierjährigen Zusammenleben oder aber einem Zusammenleben mit einem gemeinsamen Kind eine weitere nichteheliche Beziehung unterhält. Bei einer noch bestehenden Ehe oder Lebenspartnerschaft (über § 21 LPartG) eines Elternteils mit einer dritten Person schließt § 1766a Abs. 2 Satz 2 BGB-E die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft generell aus.
Die Begründung des Gesetzentwurfs stellt klar, dass natürlich auch gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen in obigem Sinne eheähnlich und „verfestigt“ sein können.
Auch weiterhin ist eine Annahme des Stiefkindes aus kindeswohlfremden Motiven nicht möglich. Die Begründung des Regierungsentwurfs nennt als Beispiele diejenigen Konstellationen, in denen die Annahme nur dem Partner zuliebe oder etwa zum Zwecke einer Verbesserung des ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus des Kindes erfolgen soll.
Den Regierungsentwurf finden Sie hier:
Der vorangegangene Referentenentwurf nebst im Zuge der Verbandsbeteiligung hierzu eingegangenen Stellungnahmen ist hier zu finden:
Zum Originaltext der Entscheidung des BVerfG gelangen Sie hier:
Eine Zusammenfassung mit den wesentlichen Erwägungen des Gerichts findet sich in der Pressemitteilung vom 2. Mai 2019:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/bvg19-033.html