Aus dem Archiv – eine Jugendamtssatzung aus dem Jahr 1947
Das 1922 in Kraft getretene Reichsjugendwohlfahrtsgesetz schrieb in seinem § 9 eine kollegiale Leitung des Jugendamtes unter Einbezug von „in der Jugendwohlfahrt erfahrenen Männern und Frauen aller Bevölkerungskreise…“ vor. Während der Nazizeit war dies abgelöst worden durch das in allen Bereichen der Kommunalverwaltung geltende Führerprinzip, allerdings wurden im Jugendamt „Beiräte“ bestellt, denen auch ein Vertreter der Hitler-Jugend und des Bundes Deutscher Mädel angehörten (RGBl. 17/1939, S. 29).
Nach dem Ende der Naziherrschaft mussten sich auch in Niedersachsen die kommunalen Behörden neu organisieren. Eine dem Landesjugendamt vorliegende Satzung des Jugendamtes Buxtehude vom 01.01.1948 zeigt exemplarisch den Lösungsweg auf, der dann in vielen Jugendämtern gegangen wurde und schließlich 1953 mit dem damaligen Jugendwohlfahrtsgesetz zu der heute noch vorhandenen Zweizügigkeit aus Jugendhilfeausschuss und Verwaltung als Jugendamt führte.
Zunächst zeigte in einem maschinenschriftlichen Schreiben vom 01. Oktober 1947 auf einem dünnem gelblichen A-5-Bogen (offenbar einem zwecks Papierersparnis in der Mitte durchgeschnittenen DIN A 4 Blatt) der Landkreis Stade unter dem Aktenzeichen 340/4 dem damaligen Landesjugendamt in Hannover-Kirchrode (Bleekestraße 22) an, dass die Stadt Buxtehude mit Wirkung vom 01. Oktober 1947 ein Jugendamt errichtet hat. Mit dem Schreiben war die Bitte verbunden, das neue Jugendamt „bei der Verteilung von Rundschreiben mit zu berücksichtigen“.
Beigefügt war dem Scheiben die Abschrift der Satzung des Jugendamtes.
Dort wurde festgeschrieben, dass statt der im RJWG festgeschriebenen kollegialen Leitung des Jugendamtes aus hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitgliedern „ein besonderer Ausschuss“ gebildet wird. Er wurde noch nicht als Jugendhilfeausschuss bezeichnet, diese Bezeichnung bürgerte sich erst mit der Verabschiedung des neuen JWG ein und er war auch noch nicht wie dieser zusammengesetzt.
Der Vorsitzende war der Stadtdirektor, sein ständiger Stellvertreter der Leiter des Jugendamtes. Im § 3 bestimmte die Satzung dann, dass neben den genannten Personen sowie dem Kreisjugendpfleger noch 9 weitere „in der Jugendwohlfahrt erfahrene Frauen und Männer“ angehören. Deren Auswahl sollte, so bestimmt es der folgende Satz, so erfolgen, „daß die Bevölkerung der Stadt Buxtehude entsprechend ihrer sozialen Zusammensetzung an dem Ausschuss beteiligt ist“. Vorgeschrieben war das Stimmrecht für die Innere Mission, die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt und das Rote Kreuz.
Am Ende dieser Vorschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Ausschuss „von der Vertretungskörperschaft nach demokratischen Gesichtspunkten zu wählen“ ist.
Interessanterweise gehörten dem Ausschuss noch nicht, wie seit 1953 dann üblich, neben den genannten Fachpersonen und –verbänden Mitglieder der Vertretungskörperschaft (oder von ihr zu wählende in der Jugendhilfe erfahrene Männer- und Frauen) an. Diese stärkere Betonung des politischen Charakters des späteren Jugendhilfeausschusses fehlt hier. Insofern ist dieser besondere Ausschuss 1947 noch deutlich näher an der fachlichen Leitung des Jugendamtes orientiert, die 1922 im RJWG eigentlich intendiert worden war.
Das ergibt sich auch aus der Regelung im § 7 der Satzung, in der bestimmt ist, dass der Ausschuss seine Beschlüsse „in nichtöffentlicher Sitzung“ fasst. Auch das ist ein Hinweis auf den eher verwaltungsinternen Charakter dieses besonderen Ausschusses.
Als Aufgabengebiet wurde im § 9 genannt:
„1. Die Aufstellung von Grundsätzen und Richtlinien für die Erfüllung der dem Jugendamt zugewiesenen Aufgaben
2. Die Mitwirkung bei der Vorbereitung für die Aufstellung des Haushaltsplanes…
3. Die Entscheidung über alle Fragen grundsätzliche Art.“
Damit war auch damals schon die auch heute noch bekannte Unterscheidung zwischen den Aufgaben des Ausschusses und den Geschäften der laufenden Verwaltung definiert, wenn auch nicht explizit so festgeschrieben.
Diese Satzung ist deshalb ein interessantes Zeitdokument, weil es die Zwischenphase zwischen der kollegialen Leitung, wie sie 1922 formuliert worden war und der ab 1953 dann bundesgesetzlich geregelten Zweigliedrigkeit des Jugendamtes darstellt.