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Unterstützung und Hilfestrukturen für Familien mit psychischen Erkrankungen

Von der Empfehlung zur Umsetzung – Zum Auftrag des KJSG in der Versorgung von Kindern psychisch kranker Eltern - so lautete das Motto des Fachtages gleich zu Jahresbeginn. Rund 200 interessierte Fachkräfte aus den verschiedensten Feldern der Kinder- und Jugendhilfe folgten der Einladung und informierten sich in vier hochkarätigen Fachvorträgen aus Wissenschaft und Forschung. Durch den Tag führte das Moderatorenduo Reinhold Gravelmann vom AFET und Joachim Glaum vom LJA

Die Lebenslagen von Kindern psychisch kranker Eltern nahm Dr Mike Seckinger (DJI) aus Sicht der Wissenschaft in den Blick. In seinem Vortrag ging er der Frage nach, was wir über die Lebenssituation von Kindern psychisch erkrankter Eltern wissen. Ziel sei es, den Blick auf die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen zu lenken und so Reflexionsanlässe für die Konzeptionierung und Ausgestaltung von Angeboten für diese Zielgruppe zu schaffen. Die bisherige Forschung zeige, dass es keinen Automatismus gibt, der zu psychischen Erkrankungen oder massiven Beeinträchtigungen auf Seiten der Kinder führt, aber eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit selbst zu erkranken.

Die Betroffenen im Blick hatte auch Dr. Koralia Sekler vom AFET. Sie berichtete über Ergebnisse der Arbeitsgruppe Kinder psychisch kranker Eltern (AG KpkE). Diese zeitlich befristete, interdisziplinäre und interministerielle Arbeitsgruppe entstand 2017 aus einem Auftrag des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung. Ende 2019 wurde ein Abschlussbericht veröffentlicht. Die hierin enthaltenen Empfehlungen zur Verbesserung der Situation von Kindern mit psychisch und suchtkranken Eltern wurden den Teilnehmenden präsentiert. Zudem benannte Frau Sekler Herausforderungen für die Praxis, insbesondere in der Gestaltung kommunaler Gesamtkonzepte.

Dr. Thomas Meysen von SOCLES lenkte im Anschluss daran den Blick auf die Auswirkungen des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes auf die Situation der Kinder psychisch kranker Eltern. Im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber den Anspruch formuliert, die Situation von Kindern psychisch und suchterkrankter Eltern verbessern zu wollen. Neben seinen Ausführungen, welche Beiträge das Gesetz leistet, spürte er auch der Frage nach, was die Praxis in der Umsetzung tun müsste, um tatsächlich Verbesserung für die Kinder und Jugendlichen zu erreichen. Abschließend beleuchtete Dr. Meysen noch die unerfüllt gebliebenen Erwartungen der AG KpkE an den Gesetzgeber und die Grenzen von Fortschritt durch Recht.

Den Abschluss des Fachtages bildete ein Vortrag von Prof. Dr. Silke Wiegand-Grefe von der Uniklinik Eppendorf, wie die psychische Gesundheit und Lebensqualität aller Familienmitglieder durch Kooperation der Systeme verbessert werden kann. Neben allgemeinen Grundlagen berichtete sie über Ergebnisse der aktuellen CHIMPS-Evaluation und warf einen Blick auf die zentralen Themen der Netzwerkarbeit.

Zweiter Schwerpunkt der Fachtagung waren die Praxisbeispiele und Unterstützungsstrukturen aus Niedersachsen.

So stellten Maike Menzel und Marc Younes vom Verein BAF e.V. das Hannoversche Präventionsprojekt für Kinder psychisch erkrankter Eltern – HaKip – vor. Wenn ein Elternteil unter einer psychischen Erkrankung leidet, betreffen die Folgen die gesamte Familie. Insbesondere für die Lebenssituation der Kinder bringt dies Veränderungen mit sich, die ohne eine hilfreiche Begleitung als belastend und verunsichernd empfunden werden können. Hier setzt das Beratungsangebot an: betroffenen Familien soll konkrete Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Alltags- und Erziehungssituationen angeboten werden, um aufzuzeigen, wie auch mit psychischer Erkrankung ein für alle Familienmitglieder befriedigendes Miteinander herstellbar ist.

Das Projekt „Trotzdem – Trotz psychischer Erkrankung-Stark mit Kind“

ist ebenfalls ein Familienangebot für Kinder psychisch kranker bzw. belasteter Eltern. Stefanie Wolf und Maike Ruskowski vom Kinderschutz-Zentrum Osnabrück gaben Impulse für die Unterstützung von Kindern psychisch erkrankter Eltern(teile). Die verschiedenen Bausteine des Angebots, Einzel-, Gruppen-, Familiensettings und Patenschaften orientieren sich hierbei an wesentlichen Schutzfaktoren für die Kinder.

Auch „Patronus“ in Nordhorn will Kindern von psychisch oder suchtkranken Eltern einen angemessenen Umgang mit den Problemen ermöglichen. Das aus Mitteln der Aktion Mensch geförderte Projekt bietet Kindern aus betroffenen Familien eine Plattform für Entlastung, Stärkung und Wissensvermittlung. Maike Elbert vom DKSB Grafschaft Bentheim berichtete über den aktuellen Stand der Umsetzung und eröffnete einen Ausblick in die Zukunft, in der ein Erlebnisgrundstück sowie die Kooperation mit den Jugendhäusern und den Schulen der Grafschaft eine wichtige Rolle spielen.

Wichtige Unterstützung für die betroffenen Familien leisten auch die Erziehungsberatungsstellen. Annette Scheffer und Jörg Hermann von der Erziehungsberatungsstelle des Landkreises Wolfenbüttel stellten ihre Patenschaften für Kinder psychisch erkrankter Eltern vor und die Optionen für die Erziehungsberatung durch das KJSG (§20 SGB VIII). Unter Moderation von Anja Werner (LAG Erziehungsberatung Nds. e.V.) konnten Fragen, Anregungen und Ideen zur Umsetzung des §20 SGB VIII im Kontext von Erziehungsberatung ausgetauscht werden.

Neben der konkreten Unterstützung auf der Ebene der Familien spielen aber auch kommunale oder landesweite Strukturen eine wesentliche Rolle.

So stellte Jutta Teepe vom Landkreis Göttingen zum Thema Jugendhilfe und psychische Erkrankungen die interprofessionelle Vernetzung in der Region Göttingen vor. Hier hat sich über die Jahre ein regionales interprofessionelles Netzwerk gebildet mit dem Ziel, die Lage von Kindern und Familien mit psychisch kranken Elternteilen zu verbessern. Der Workshop berichtete über Entstehung und Struktur des Netzwerks sowie Inhalte der Zusammenarbeit und entstandene Projekte.

Über ähnliche Erfahrungen sowie die Herausforderungen und Ressourcen der rechtskreisübergreifenden Netzwerkarbeit berichteten Anja Thürnau und Ana Becker vom Landkreis Hildesheim. Sie stellten unter dem Motto „Aus der Praxis für die Praxis“ – Von der Idee zur Umsetzung“ das Netzwerk HiKip (Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern im Landkreis Hildesheim) vor. Hier wurde sehr deutlich, wie sinnvoll es ist, wenn ein Netzwerk aus der Praxis heraus entsteht und wie Lotsenberatung und Clearings einen präventiven Kinderschutz im Fokus haben können.

Hinsichtlich der Vernetzung auf Landesebene stellten Mareile Deppe und Anna Menze von der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin die neu eingerichtete Landesstelle Psychiatriekoordination Niedersachsen (LSPK) vor. Sie ist eine unabhängige Einrichtung zur Vernetzung der psychiatrischen Hilfsangebote in Niedersachsen und engagiert sich für eine bedarfsgerechte und zukunftsweisende Versorgung. Dafür arbeitet sie eng mit allen relevanten Akteur*innen einschließlich Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen zusammen. Im Aufbau befindet sich auch eine Projekt-Datenbank, in der sich schon einige Angebote für Kinder und Jugendliche befinden.


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