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Grenzüberschreitende Unterbringung eines Kindes iSd sog. Konsultationsverfahrens gem. Art. 82 Brüssel IIb-VO

Seit dem 01.08.2022 gilt die Verordnung (EU) 2019/1111, sog. Brüssel IIb-VO , in allen EU-Mitgliedsstaaten, mit Ausnahme Dänemarks, unmittelbar. Sie fasst u.a. die grenzüberschreitende Unterbringung eines Kindes in einem anderen EU-Mitgliedsstaat, sog. Konsultationsverfahren, in Art. 82 neu.

Im Gegensatz zum alten Recht stellt Art. 82 Brüssel IIb-VO für das Erfordernis der vorherigen Zustimmung zur grenzüberschreitenden Unterbringung eines Kindes nicht mehr auf das innerstaatliche Recht des ersuchten Mitgliedsstaats, in dem das Kind untergebracht werden soll, ab, sondern verpflichtet zur Einholung einer vorherigen Zustimmung. Die Unterbringung ist vom ersuchenden Mitgliedsstaat erst anzuordnen oder zu veranlassen, nachdem die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedsstaats der Unterbringung zugestimmt hat (Art. 82 Abs.5 Brüssel IIb-VO). Auch die Verlängerung einer bereits bestehenden Maßnahme bedarf der vorherigen Zustimmung des ersuchten Mitgliedsstaats.

Erwägt ein Gericht oder eine zuständige Behörde die Unterbringung eines Kindes in einem anderen EU-Mitgliedsstaat (mit Ausnahme Dänemarks), so ist es/sie verpflichtet vorher die Zustimmung der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedsstaates einzuholen. Das Ersuchen ist über die Zentrale Behörde des ersuchenden Mitgliedsstaats an die Zentrale Behörde des ersuchten Mitgliedsstaats zu übermitteln. Das Ersuchen muss einen Bericht über das Kind und die Gründe für die geplante Unterbringung oder Betreuung, Informationen über jede in Betracht gezogene Finanzierung und alle anderen als relevant erachteten Informationen, wie z.B. die voraussichtliche Dauer der Unterbringung, enthalten (Art. 82 Abs.1 Brüssel IIb-VO).

In den Geltungsbereich der Brüssel IIb-VO fallen jede Art von Unterbringung eines Kindes in Pflege oder in einem Heim. Dies gilt auch für Unterbringungen aus erzieherischen Gründen, die von einem Gericht angeordnet oder von einer zuständigen Behörde mit Zustimmung oder auf Antrag der Eltern oder des Kindes infolge eines Problemverhaltens des Kindes veranlasst werden (Erwägungsgrund 11 Brüssel IIb-VO).

Die vorherige Zustimmung des ersuchten Mitgliedsstaats ist ausnahmsweise dann nicht erforderlich, wenn das Kind bei einem Elternteil untergebracht werden soll (Art. 82 Abs.2 S.1 Brüssel IIb-VO). Die Mitgliedsstaaten können für Unterbringungen in ihrem Hoheitsgebiet für bestimmte Kategorien naher Verwandter über die Eltern hinaus weitere Ausnahmen beschließen, bei denen eine Unterbringung ohne vorherige Zustimmung erfolgen kann (Art.82 Abs.2 S.2 Brüssel IIb-VO).

Da Zeit im Falle einer grenzüberschreitenden Unterbringung ein entscheidender Faktor ist, normiert Art. 82 Brüssel IIb-VO eine Entscheidungsfrist. Die Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung muss der ersuchenden Zentralen Behörde spätestens drei Monate nach Eingang des Ersuchens übermittelt werden, es sei denn, dass dies aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist (Art. 82 Abs.6 Brüssel IIb-VO).

Für das Verfahren zur Einholung der Zustimmung gilt das nationale Recht des ersuchten Mitgliedsstaats (Art. 82 Abs.7 Brüssel IIb-VO). In Deutschland finden für die verfahrensrechtliche Umsetzung der Brüssel IIb-VO die Regelungen des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes (IntFamRVG) Anwendung. Für das Konsultationsverfahren handelt es sich um die §§ 45-47 IntFamRVG.

Wird die Unterbringung eines Kindes in einem Nicht-EU-Mitgliedsstaat, sondern in einem Vertragsstaat des Haager Kinderschutzübereinkommens (KSÜ) erwogen, so richtet sich die Durchführung des Konsultationsverfahrens nach Art. 33 KSÜ. Gem. Art. 33 KSÜ ist in jedem Fall eine vorherige Zustimmung erforderlich. Die Übermittlung des Ersuchens kann über das Bundesamt für Justiz erfolgen.

Nähere Angaben zum Konsultationsverfahren in den einzelnen Ländern sowie zu den einzureichenden Unterlagen finden sich in den länderspezifischen Datenblättern sowie Zusatzinformationen auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz, welche über den Link https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Familieinternational/Sorgerecht/Sorgerecht_node.html erreichbar ist. Weitere Hinweise können den allgemeinen Merkblättern des Bundesamts für Justiz, welche ebenfalls über den o.g. Link abrufbar sind, entnommen werden. Darüber hinaus können über das Europäischen Justizportal (EJN) der Europäischen Kommission Informationsblätter einzelner EU-Mitgliedsstaaten zur grenzüberschreitenden Unterbringung eines Kindes, einschließlich Pflegefamilie, abgerufen werden.


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