Selbstbestimmungsgesetz.pdf
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Trans_Beratung_in_NDS_20241121.pdf
(PDF, 0,17 MB)
20240206_Qualitätsstandards TransBeratung_FINAL.pdf
(PDF, 0,54 MB)
Geschlechtervielfalt ist ein Thema, welches für unsere Gesellschaft eine besondere Bedeutung hat. Bewusst oder unbewusst: Menschen werden immer wieder in Geschlechterkategorien sortiert. Dies vor allem aufgrund bestimmter Merkmale und gesellschaftlicher Codes, auf die sich unsere Gesellschaft zur besseren Einordnung schon lange geeinigt zu haben scheint – Haare, Kleidung, Make Up etc.
Aber ist das heute überhaupt noch richtig? Das Aussehen gibt nicht immer deutlich Aufschluss darüber, welchem Geschlecht sich eine Person zugehörig fühlt. Menschen sind so viel mehr als zugeschriebene Merkmale und ihre Identität besteht aus so vielen verschiedenen Facetten, dass bestimmte Geschlechterkategorien wohl kaum als Unterscheidungsmerkmal taugen.
Spätestens seit Oktober 2017 ist das Thema Geschlechtsidentitäten mehr im Fokus. Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes wurde neben weiblich und männlich ein weiteres Geschlecht verfassungsrechtlich anerkannt. Nun kann im Personenstand der Eintrag zum Geschlecht offen gelassen oder neben weiblich und männlich auch divers als Geschlechtseintrag gewählt werden.
Die geschlechtliche Identität einer Person wird nicht rein biologisch festgelegt, sie ist selbstbestimmt. Auch in der Biologie ist es kein unbekanntes Vorkommen, dass Menschen nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Das menschliche Geschlecht wird an verschiedenen biologischen Merkmalen im Körper abgelesen: In den Chromosomen, in den Gonaden (Keimdrüsen, in denen für die Fortpflanzung relevante Sexualhormone produziert werden) und an den äußeren Geschlechtsmerkmalen. Stimmen hier nicht alle eindeutig mit der medizinischen Norm überein – entweder weiblich oder männlich – wird von intergeschlechtlich geborenen Menschen gesprochen. Eine Intergeschlechtlichkeit muss nicht bei Geburt festgestellt werden, sondern kann auch im Lebensverlauf (beispielsweise beim ersten Besuch einer gynäkologischen Praxis) erkannt und von medizinischen Fachpersonal festgestellt werden. Hinzu kommen die selbstbestimmte Geschlechtsidentität und die Frage, ob diese mit den körperlichen Begebenheiten übereinstimmt. Bislang konnten intergeschlechtlich geborene Menschen ihren Personenstandseintrag über § 45b PStG ändern. Transidente Menschen, denen bei der Geburt ein Geschlecht zugeschrieben wurde, das nicht ihrer Geschlechtsidentität entspricht, konnten bislang über das Transsexuellengesetz (TSG) ihren Personenstand und Namen ändern lassen.
Mit dem zum 01.11.2024 in Kraft tretenden Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) werden die Möglichkeiten zur Änderung des Geschlechtseintrags in einem Gesetz gebündelt und vereinfacht. In § 3 werden die Bestimmungen für Minderjährige und Personenmit Betreuer geregelt. Für den Arbeitsbereich der Kinder- und Jugendhilfe ist insbesondere § 3 Abs. 1 von Bedeutung:
§ 3 Erklärungen von Minderjährigen und Personen mit Betreuer
(1) Eine beschränkt geschäftsfähige minderjährige Person, die das 14. Lebensjahr vollendet hat, kann die Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen (§ 2) nur selbst abgeben, bedarf hierzu jedoch der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so ersetzt das Familiengericht die Zustimmung, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht. Mit der Versicherung nach § 2 Absatz 2 hat die minderjährige Person zu erklären, dass sie beraten ist. Die Beratung kann insbesondere erfolgen durch
1. Personen, die über eine psychologische, kinder- und jugendlichenpsychotherapeutische oder kinder- und jugendpsychiatrische Berufsqualifikation verfügen, oder
2. öffentliche oder freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe.
In der Begründung des Gesetzestextes findet sich hierzu folgende Passage:
Die Versicherung einer minderjährigen Person hat darüber hinaus die Erklärung zu enthalten, dass sie beraten ist (§ 3 Absatz 1 Satz 3 SBGG). Die in § 3 Absatz 1 Satz 3 SBGG enthaltene Liste der Beratungsangebote ist nicht abschließend. In den Fällen, in denen die minderjährige Person geschäftsunfähig ist oder das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, hat die Versicherung des gesetzlichen Vertreters die Erklärung zu enthalten, dass er entsprechend beraten ist (§ 3 Absatz 2 Satz 4 SBGG). Bei den Erklärungen geht es darum, dass die Erklärenden umfassend informiert sind. Hierfür müssen in den Ländern keine weiteren staatlichen Beratungsstrukturen geschaffen werden.
Auch in Trans*- und Inter*-Beratungen sowie Beratungsstellen mit queersensiblen Angeboten können Beratungen stattfinden. Die Beratung soll ergebnisoffen und informierend geführt werden. Zur weiteren Information können Sie gerne einen Blick in die „Qualitätsstandards für die psychosoziale Trans*Beratung in Niedersachsen“ werfen. An dieser Stelle gilt es noch einmal ausdrücklich zu betonen, dass im SBGG keine Regelungen zu medizinischen Maßnahmen enthalten sind, sondern es sich rein um die bürokratische Änderung der Vornamen und des Geschlechtseintrags handelt. Ein Nachweis über die Beratung muss beim Standesamt nicht erbracht werden. Hier genügt die Selbstauskunft der Betroffenen.
Für detailreichere Informationen wird auf eine communitybasierte Informations-Webseite zum SBGG verwiesen:https://sbgg.info/
sowie auf die Internetseite des Queeren Netzwerk Niedersachsen e.V.: https://qnn.de/
Dort sind ebenfalls Informationen zu lokalen Angeboten für queere Menschen zu finden.
Bei Fragen stehen Ihnen die Mitarbeitenden der queeren Beratungsstruktur gerne zur Verfügung.
Autorin:
Kristina Kantzke, Referentin LSBTIQ* und HIV / Aids im Sozialministerium